46. Duisburger akzente
15. März bis 06. April 2025 | Sein und Schein
Die Welt urteilt nach dem Scheine – lässt Johann Wolfgang von Goethe seinen Clavigo im gleichnamigen Trauerspiel sagen. Eben nicht nach dem äußeren Schein zu urteilen, sondern den Dingen auf den Grund zu gehen und ihr wahres Sein zu erkennen, das erscheint uns allen erstrebenswert. Doch lassen sich Sein und Schein tatsächlich immer klar voneinander trennen? Wie gehen wir damit um, dass zunehmend „gefühlte Wahrheiten“ an Glaubwürdigkeit gewinnen, wissenschaftliche Fakten dagegen dreist geleugnet werden? Und wie verhält es sich damit in der Kultur?
Die Welt will betrogen sein – so lässt sich das persönliche Credo des Hochstaplers Felix Krull in Thomas Manns gleichnamigen Roman zusammenfassen. Hochstapelei ist die Erweckung eines Scheins, der sich vom Sein wesentlich unterscheidet und in der Konsequenz eine kriminelle Handlung darstellt. Im Falle einer literarischen Produktion jedoch, ist eben dieser Prozess ein künstlerischer Akt, der kulturell legitimiert ist und dem Autor – in diesem Fall der Literatur Ikone Thomas Mann – Anerkennung einbringt.
In der bildenden Kunst scheint die Sachlage wesentlich einfacher: Alles, was nicht das Original ist, ist eine Fälschung. Obwohl es schon immer bewusste Fälschungen, Kopien oder durch das Original inspirierte Nachahmungen in der Kunstwelt gab, gehen wir davon aus, bei einem Museumsbesuch vor einem Original zu stehen. Aber stimmt das wirklich und vor allem, können wir das überhaupt selbst beurteilen? In London hatte dazu eine renommierte Galerie einen Versuch gestartet. Die Galerie stellte eine billige 100-Euro-Fälschung aus China inmitten anderer alter Meister aus und stellte den Besuchern die Aufgabe, die Fälschung zu finden. Gerade einmal 10% der Besucher waren in der Lage, die Fälschung vom Original zu unterscheiden. Sind wir dann dem Fake aufgesessen? War die Kopie so gut wie das Original? Vielleicht besser? Brauchen wir das Original dann überhaupt noch? Spannenderweise sind die Besucherzahlen der Galerie im Rahmen dieses Experiments gestiegen. Vielleicht wollen wir ja wirklich betrogen werden.
Kultur schöpft ihre Kraft schon immer aus dem Wechselspiel zwischen Sein und Schein, Täuschung und Realität, Fantasie und Gewissheit. Die 46. Duisburger Akzente bieten Künstler*innen die Möglichkeit, ihre Sichtweise auf diese beiden Existenzformen zu präsentieren. Dem Publikum bieten sie die Möglichkeit, genau hinzuschauen, um eventuell den Unterschied zwischen „Sein“ und „Schein“ herauszufinden, das „Echte“ vom „Falschen“ zu unterscheiden oder sich einfach nur „betrügen zu lassen“.